Zwischen Hype, Haltung und Hands-on: Rückblick auf den 9. Bibliothekskongress
Vom 24. bis 27. Juni 2025 traf sich die Fachcommunity aus Bibliotheken und Informationseinrichtungen unter dem Motto #BibliothekenEntschlossenDemokratisch in Bremen zum 9. Bibliothekskongress aka 113. BiblioCon – mit einem Programm, das erneut eine große Bandbreite an Themen, Formaten und Diskursen bot.
Zwischen methodischen Impulsen, technologischen Innovationen und reflexiven Perspektiven wurde deutlich: Die Frage ist längst nicht mehr, ob Bibliotheken digital sind. Die entscheidende Frage lautet: Wie?
Dehype your library – mehr Haltung, weniger Technikfaszination
Der Beitrag des Netzwerks Bibliothek Medienbildung setzte ein klares Zeichen gegen unreflektierte Technikbegeisterung. Diskutiert wurde, wie sich Bibliotheken gegenüber neuen Technologien positionieren können, ohne jedem Hype hinterherzulaufen. Informationskompetenz müsse weiter gedacht und vor allem gelebt werden – nicht nur in Bezug auf Inhalte, sondern hinsichtlich digitaler Produkte, Geräte und Plattformen. Eine abwägende Haltung, die sich an Nutzungsrealitäten und strategischen Zielen orientiert, wurde als zentrale Kompetenz identifiziert.
Indem wir unsere eigene Informationskompetenz leben und auf Produkte und Technologien anwenden, machen wir unsere Bibliotheken zu den zuverlässigen Ankerpunkten in einer hyperreaktiven Welt. Mit dem Berufsethos als informationskompetente und damit kritische Denker können wir die Zukunft unserer Bibliotheken klug und nachhaltig gestalten.
~ Andreas Langer, Netzwerk Bibliothek Medienbildung
Zukünfte gestalten statt konsumieren
In der Projektpräsentation “Snapshots from the Future” der TIP-Award-Preisträger:innen der HdM Stuttgart ging es um die aktive Gestaltung von Zukunftsoptionen mithilfe von Methoden wie STEEP-Analyse, Futures-Wheel und Szenarien-Entwicklung. Der Einsatz von KI-Tools diente hier nicht der Demonstration technischer Möglichkeiten, sondern der Frage, wie Bibliotheken Gestaltungsbereitschaft aktivieren und fördern können – bei sich selbst wie bei Nutzer:innen. Entwickelt wurden Empfehlungen für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, die sie für die Zukunft wappnen sollen.
Lernräume neu denken: Escape Room & Promptathon
Das mit dem TIP-Award ausgezeichnete Projekt “Time Attack – Lost in Architecture” von MALIS-Studierenden der TH Köln demonstrierte eindrücklich, wie spielerische Formate wie Escape Rooms als explorative Lernumgebungen dienen können. Entdecken statt erklärt bekommen, Kollaboration statt Konsum – das didaktische Konzept überzeugte durch hohe Anschlussfähigkeit an bibliothekspädagogische Zielsetzungen wie hier der Einführung in die Bibliothek und Literaturrecherche für (Architektur-)Studierende der FH Münster.
Beim Auftakt eines geplanten Promptathons wurde die Entwicklung geeigneter Prompts für KI-gestützte Arbeitsprozesse in Bibliotheken zum Lerngegenstand. Der Aufbau einer Promptothek eröffnet konkrete Möglichkeiten zur Nachnutzung und Weiterentwicklung: https://promptothek.ub.uni-due.de/
Meine aktiven #Freiraum25 – Sessions: Perspektivenvielfalt und Praxisnähe
Die Session zur Partnerland-Initiative mit der Tschechischen Republik unter der Frage “Was war, was bleibt, was kommt?” bot Gelegenheit zur Reflexion über drei Jahre gelebter Zusammenarbeit. Stimmen aus beiden Ländern kamen in einem eigens produzierten Film zu Wort – ehrlich, nachdenklich, zukunftsgewandt. Die Session zeigte, dass internationale Partnerschaften nicht nur Austausch, sondern auch Selbstvergewisserung ermöglichen: Wo stehen wir und was wollen wir weitergeben?
Match and Meet your Partner Library auf https://www.librarynextdoor.net/
Ebenfalls im #Freiraum25 wurde unter dem Titel “Café Digital – Wenn Erfolg zur Herausforderung wird” über Digitalberatung für Senior:innen diskutiert. Diese Angebote, die vielerorts stark nachgefragt sind, stoßen zunehmend an personelle und strukturelle Grenzen. Im Fokus standen Praxibeispiele, Bedarfsanalysen und erste Ansätze zur nachhaltigen Verstetigung – vom Peer-Learning bis hin zu Kooperationen mit externen Akteur:innen.
mehr zum Malteser Café Digital der Stadtbücherei Frankfurt am Main
TechnoThek, Temi & Co.: Digitalisierung zum Mitmachen
Formate wie die TechnoThek in Hannover oder die Robotik-Initiative aus Bergheim zeigten, wie digitale Technologien in der Bibliothek nicht nur ausgestellt, sondern erfahrbach gemacht werden können – von Tutorials und Makerspaces bis hin zum mehrsprachigen Avatar mit Kataloganbindung. Bei aller Innovationsfreude wurde jedoch deutlich: Solche Projekte sind arbeitsintensiv und benötigenb klare Zielsetzungen, tragfähige Strukturen und ausreichend Ressourcen – gerade in der Einführungs- und Testphase.
auch in der Stadtbücherei Frankfurt am Main könnt ihr eine TechnoThek entdecken
DigitalFit, aber menschenzentriert
Ein Highlight aus dem internationalen Programm war die Präsentation von DigitalFit aus Nordschleswig (Dänemark). Hier zeigte sich, wie digitale Teilhabe mit Empathie, methodischem Geschick und Geduld gelingen kann – besonders für ältere Menschen. Die Sessions setzen bewusst auf kleine Gruppen, niedrigschwellige Materialien und inviduelle Begleitung. Ein Ansatz, der viel Zeit erfordert – und zugleich deutlich macht, was es bedeutet, als Bibliothek ein Ort für alle zu sein.
Weniger tun, aber besser
Der Beitrag aus Bremen zur Profilbildung von Bibliotheken richtete den Blick nach innen: Wer sind wir, wofür stehen wir – und was lassen wir bewusst weg? In Teams wurden Werte, Zielgruppen und Standortprofile diskutiert. Der Appell: Qualität vor Quantität. Projekte strategisch zu hinterfragen, statt beliebig neue Themen aufzusatteln, erschien in Zeiten zunehmender Komplexität besonders relevant.
Fazit
Der diesjährige Bibliothekskongress bot keine schnellen Antworten – aber viele gute Fragen. Es wurde deutlich, dass Bibliotheken heute mehr denn je strategisch denken, kollaborativ handeln und partizipativ gestalten müssen. Technische Lösungen sind kein Selbstzweck, sondern Teil eines größeren Zielrahmens: Informationsgerechtigkeit, Teilhabe und Bildung – für alle, nicht nur für Technikaffine. Es braucht keine nächste Trendwelle. Es braucht Haltung. Und Austausch. Vielleicht genau so, wie er in Bremen stattfand.